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Bürger schaffen Wissen

Die Plattform für Citizen-Science-Projekte aus Deutschland: Mitforschen, präsentieren, informieren!

Nachgeforscht bei Julia Schnetzer von MyOSD

14. Juni 2016 von Wiebke Brink
Foto: Frank Oliver Glöckner
Foto: Frank Oliver Glöckner

Am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie forscht Julia Schnetzer zum genetischen Potential von Mikroorganismen, die Arbeit mit Citizen Scientists im Projekt MyOSD - Ocean Sampling Day ist eine neu entdeckte Leidenschaft. 

Wo sind Sie zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen und was hat Sie bewegt, dabei zu bleiben?

Ich habe 2008 das erste Mal selber bei einem Citizen Science-Projekt mitgemacht, und zwar bei Reef Check. Da haben wir mit einem Citizen Science-Team vier Wochen lang die Riffe rund um Dahab in Aegypten untersucht. Das war eine tolle Erfahrung, es hat sehr viel Spass gemacht und ich habe unglaublich viel gelernt - aber anstrengend war es schon auch. Reef Check gibt es weltweit, das Projekt kann ich Tauchbegeisterten nur wärmstens empfehlen.

 

Wie kam Ihnen die Idee zu Ihrem Projekt? Und warum wollen Sie Bürgerbeteiligung?



Der Ocean Sampling Day war zunächst einmal ein rein wissenschaftliches Projekt im Rahmen des EU-Projektes Micro B3 und eigentlich erst auch nur im kleinen Rahmen als sogenannter "use case" gedacht. Aber die Idee stieß auf so viel Begeisterung unter den Wissenschaftlern, so dass dieser "use case" immer größer wurde. Dann haben auch Bürger davon gehört, haben uns angesprochen und wollten auch mitmachen. Citizen Science war also eigentlich gar nicht geplant. Wir fanden das Interesse der Leute und die Idee richtig toll und haben uns dann hingesetzt und geguckt, wie wir es Bürgern ermöglichen können mitzumachen.



Womit ringen Sie in Ihrem Arbeitsalltag am meisten?



Wir engagieren uns stark, um mit den Bürgern in persönlichen Kontakt zu kommen, wir versuchen bei vielen Veranstaltungen dabei zu sein. Ich selbst mache viele Science Slams und Vorträge und das macht einen Riesenspaß. Aber das viele Reisen ist natürlich auch anstrengend und man opfert viel Zeit auch an den Wochenenden. Neulich meinte ein Freund zu mir "Ich organisiere jetzt mal selber einen Science Slam hier in Bremen, damit wir dich auch mal wieder sehen!" Das hat mir etwas das Herz gebrochen und ich habe gemerkt, dass der Kontakt zu Freunden und Familie darunter leidet. Aber nach dem 21. Juni wird's ja wieder etwas ruhiger.  

 

Mal ehrlich: Gab es auch Fehlversuche oder Enttäuschungen? Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?



Beim ersten OSD 2014 ist uns genau am 21. Juni für eine halbe Stunde der App-Server ausgefallen. Murphy's law, da konnte niemand was dafür, das war einfach höhere Gewalt. Renzo, mein Kollege, konnte das dann alles noch retten, aber da hatten wir schon erstmal alle einen kleinen Herzinfarkt. Jetzt hatten wir grade große technische Probleme mit der Sequenzierung der Proben aus 2015. Das hat nun zwar doch alles geklappt, aber unser ganzer Zeitplan hängt nun hinterher. Aber so ist Forschung einfach, solche Dinge passieren und da muss man flexibel sein und darf nicht verzweifeln.  

 

„Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will“, weiß Galileo Galilei. Und darüber hinaus? – Was sind die 3 wichtigsten Eigenschaften, um bei dem Projekt mitzumachen?   

Ich denke, das Wichtigste bei MyOSD ist großes Engagement der Teilnehmer - denn im Vergleich zu Citizen Science-Projekten, bei denen man/frau z.B. ein Foto mit einer App macht, steckt bei MyOSD noch mehr Arbeit dahinter. Man muss extra zu einem Fluss oder ans Meer fahren, die Probenahme an sich kann dann auch schon eine Stunde dauern und das Filtrieren ist auch anstrengend. Das heisst, wir brauchen Motivation, Geduld und starke Hände.  

 

Gummistiefel und Fernglas, Toolkit oder App – wie technisch versiert sollten Ihre Mitforscher sein? Was kann man in Ihrem Projekt dazulernen? 



Technisch versiert ist bei uns eigentlich nicht wichtig. Wir haben zwar eine App, die hilfreich ist, aber sie ist optional, man/frau muss sie also nicht benutzen. Ich denke, neben dem Entdecken der Mikroorganismen macht den Leuten das Kit an sich auch viel Spass. Die Dinge im Kit sind alles Utensilien, die wir wirklich auch im Labor benutzen, man kann sich so also wirklich wie ein Forscher fühlen.



Ihr schönster Citizen Scientist-Moment – wie war der? Was war der größte Erfolg der gemeinsamen Forschung?



Die Wissenschaft ist ein kompetitives Feld. Wissenschaftler sehen sich oft gegenseitig als Konkurrenz anstatt zusammen zu arbeiten. Das ist so schade, denn eigentlich haben wir doch alle das gleiche Ziel. OSD/MyOSD hat gezeigt, dass Wissenschaftler und Bürger über Grenzen hinweg zusammen an einer Sache arbeiten können. Das ist für mich persönlich der größte Erfolg. Ansonsten sind meine persönlichen Highlights der Kontakt mit den Menschen bei Veranstaltungen, wenn Leute zu mir kommen und mehr erfahren wollen oder sagen "Das ist spannend!", "Das wusste ich gar nicht!" " Da hab ich was gelernt!". Das klingt jetzt alles unglaublich schnulzig und hippie-mässig, aber ich sehe das wirklich so, sonst würde ich mir den ganzen Stress gar nicht antun.

 

Wo kann man Ergebnisse Ihres Projektes sehen?



Also zu MyOSD 2014 habe wir schon einen Artikel veröffentlicht (leider nur auf englisch). Mit den ersten Daten von 2014 konnten wir zeigen, dass Citizen Scientists einen wertvollen Beitrag zum Sammeln von ozeanographischen Daten leistet können. Auf die Analyse der Daten aus 2015 werden wir uns diesen Sommer werfen und wir hoffen, dass wir im Frühjahr/Sommer 2017 die Daten von MyOSD 2016 präsentieren können. Die Daten als auch Updates zum Verlauf der Analyse findet man/frau unter www.my-osd.org/status

Wiebke Brink

Wiebke Brink ist Projektleiterin von Bürger schaffen Wissen. Sie setzt sich seit mehr als zehn Jahren in verschiedenen Projekten und Kontexten mit den Themen Partizipation und Kommunikation auseinander.