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Welche rechtliche Fragen muss man im Verlauf von Citizen-Science-Projekten beachten? – Bericht eines virtuellen Workshops

03. August 2020 von Linda Freyberg

Mitarbeiter*innen und Leiter*innen von Citizen-Science-Projekten, Interessierte aus der Forschung sowie von Förderinstitutionen kamen am 23. Juni 2020 zum virtuellen Workshop „Rechtliche Fragen in Citizen-Science-Projekten“ zusammen, der von Linda Freyberg (Museum für Naturkunde Berlin) und Friederike Klan (Institut für Datenwissenschaften, DLR, Jena) organisiert und durchgeführt wurde. Gemeinsam wurden rechtliche Fragen in den Bereichen

1) Versicherungsschutz,

2) Datenschutz und Persönlichkeitsrechte sowie

3) Urheberrecht und geistiges Eigentum diskutiert.

Die Ergebnisse dieses Workshops sollen in einen rechtlichen Leitfaden einfließen, der im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes „Rechtliche Fragen in Citizen Science Projekten“ am Museum für Naturkunde (MfN) konzipiert wird. Unter der Leitung von Linda Freyberg soll bis zum Jahresende eine Handreichung für Projektinitiator*innen entstehen, die niedrigschwellig zu rechtlichen Fragestellungen in Citizen-Science-Projekten informieren soll und deren inhaltliche Grundlage drei rechtliche Gutachten zu diesen Themenbereichen darstellen. 

Erste Ergebnisse aus einer Umfrage unter Projektinitiator*innen 

Ebenso werden als weitere Datenbasis für die Handreichung die Ergebnisse einer Umfrage zu rechtlichen Fragestellungen in aktuellen oder vergangenen Citizen-Science-Projekten einfließen, an der circa 50 Personen teilnahmen. Erste Zwischenergebnisse dieser Umfrage zeigen einen hohen Beratungsbedarf zu rechtlichen Themen, vor allem zum Thema Datenschutz auf. Dies ist auch an den Antworten zu der Frage nach einem Datenmanagementplan abzulesen, die die Hälfte aller bislang Befragten nicht beantworteten und nur 25% bejahten. Das Publikationsverhalten in CS-Projekten scheint sich, von traditionellen wissenschaftlichen Projekten insofern zu unterscheiden, dass hauptsächlich über die Projektwebsite, Social Media oder in der Presse publiziert wird und erst nachrangig in traditionell wissenschaftlichen Medien wie beispielsweise wissenschaftlichen Zeitschriften. Die Citizen Scientists in den Projekten agieren, nach dem Zwischenstand der Auswertung, eher selbständig und nutzen eigene Geräte, wobei die Hälfte durchaus konkrete Handlungsanweisungen erhalten.

Die neue AG “Citizen Science & Recht” im Fokus

Ziel der AG ist es, gemeinsam mit Projektverantwortlichen und -durchführenden Handlungsbedarfe in Form von Unterstützungsangeboten, Strukturen und Rahmenbedingungen im Kontext von Citizen Science und Recht erfassen und bei der Entwicklung des Leitfadens zu unterstützen. Darüber hinaus soll der Erfahrungsaustausch zu rechtlichen Themen innerhalb der Citizen-Science-Community gestärkt werden. 

Gruppenarbeit: Modellieren von typischen Projektverläufen 

Für die Workshopphase haben sich die Teilnehmenden zu drei Gruppen zu den drei genannten Themenkomplexen formiert und anhand eines typischen Verlaufs von Citizen-Science-Projekten rechtliche Fragestellungen erarbeitet.

Gruppe 1: Versicherungsschutz

Als Ausgangsszenario wurde in dieser Gruppe ein fiktives Citizen-Science-Beispielprojekt zugrunde gelegt und basierend darauf folgende Fragen zum Thema Versicherungen erarbeitet und diskutiert:

  • Durch wen besteht Versicherungsschutz? (Citizen Scientist selbst, Hochschule, Behörde, Verein, Firma...)
  • Was ist versichert? (Personenschaden, Sachschaden, Wegeschäden)
  • Welche Versicherung greift? (Haftpflichtversicherung, private/gesetzliche Unfallversicherung, betriebliche Versicherung, Veranstalterhaftpflichtversicherung ...)
  • Wer zahlt für die Versicherung? (beauftragende Einrichtung, das Land, der Bund, der/die Citizen Scientist als Privatperson

Gruppe 2: Datenschutz und Persönlichkeitsrechte

Anhand verschiedener Themenschwerpunkte aus dem Bereich Daten- und Persönlichkeitsrecht, wurden rechtliche Fragenkomplexe gesammelt, diskutiert und gemeinsam mit den anwesenden Expert*innen sowie den Teilnehmer*innen konkretisiert. Vorschläge für die Gestaltung des Leitfadens in Bezug auf die diskutierten Fragen wurden erarbeitet.

Die Haupthemen waren:

  • Personenbezogene Daten (rechtssichere Handhabung, Identifizierbarkeit von Personen, Daten(schutz)managmentplan ...)
  • Anonymisierung/Pseudonymisierung (Speicherung und Veröffentlichung von Daten, Zuordnung von Pseudonymen und Personendaten, bei Anonymisierung kein Personenbezug mehr herstellbar, Pseudonymisierung auch bei Begleitforschung ...)
  • Datenverarbeitung (Rechte und Pflichten, Zwecke der Datenerhebung: Forschung, Statistik, Freiwilligenmanagement ...)
  • Identifizierung unbeteiligter Personen (Fotos, Videos, Audioaufnahmen, etc., Personen im Hintergrund oder im Fokus) 

Gruppe 3: Urheberrecht

Zunächst wurden basierend auf weiteren Fragen der Umfrage Erfahrungswerte gesammelt, Fragen formuliert und diskutiert:

  • Publikationskanäle (klassische wissenschaftliche Paper, Handreichung, "graue" Literatur ...)
  • Umgang mit Daten (Steuerung der Nutzung, Bedenken hinsichtlich der Weiterverarbeitung, Lizenzierung, Open Access-Publikation ...)
  • Umgang mit Bildern/Bildrechten (Große Datenmengen, Nutzung für die Öffentlichkeitsarbeit, Klärung in den AGBs, Einwilligung, ...)
  • Publikation der Daten (Interesse an der Weitergabe, Widerruf der Freigabe von Daten, Übergang der Haftung vom Citizen Scientist auf die Institution/Projektleitung, Wiederverwendung, Urheberrechtsfragen, ...)

Im Anschluss wurden Fragen und Hinweise entlang eines typischen Projektverlaufes erarbeitet:

  • Planung eines Projekts: Informieren (OA-Strategien, Creative Commons, Beratung durch Rechtsabteilung, Bibliothek, Datenschutzbeauftragter, ...), Antragsstellung (Stiftungen, Landesfinanzierung, ...), Datenmanagementplan, ...
  • Durchführung des Projektes/Lizenzierung der Daten (Zwischenberichte mit Namen versehen, Erlaubnis einholen Verwendung Fotos, Point of no return (Unter welcher Kontrolle stehen wann die Daten?) ...
  • Veröffentlichung der Daten des Projektes (Namensnennung der Co-Forscher/innen, klassische wissenschaftliche Publikationen, Handreichung, ...)

Es wurde eine weitere Phase nach Projektende ergänzt: Projektabschluss/nach Projektende (Weiternutzung der Ergebnisse, auch abgesehen von Projektbeteiligten, Angebot Schnittstellen für weiterführende Verwertung der Daten, ...)

Fazit: Wichtiger Input für die Weiterentwicklung der Handreichung

Im Workshop konnten wesentliche rechtliche Fragen gesammelt, diskutiert und konkretisiert werden. Dabei diskutierten die Teilnehmenden rechtliche Fallstricke in Citizen-Science-Projekten in den verschiedenen Projektphasen und lieferten wertvolle Hinweise für die Erstellung der rechtlichen Gutachten sowie für die Handreichung. Die Gutachten sollten die spezifischen Forschungsmethoden von Citizen Science berücksichtigen sowie die verschiedenen Arten von Daten, die im Rahmen dieser Projekte erhoben werden. Dabei sollte die Zielgruppe nicht nur institutionalisierte Bürgerforscher*innen, sondern auch dezentrale Projekte sein. Da sich einige Themenbereiche, vor allem Datenschutz und Urheberrecht, nicht vollständig voneinander separieren lassen, sollten in den jeweiligen Themenblöcken Ankerpunkte gesetzt werden. Vielfach wurde der Wunsch geäußert, dass die Handreichung zu rechtlichen Fragen praxistaugliche Lösungen aufzeigen sollte und als positiver Leitfaden vor allem aufzeigen sollte, was innerhalb der rechtlichen Grenzen erlaubt ist. Dies könnte beispielsweise durch die Einbindung von Best-Practice-Beispielen sowie von Mustervorlagen, Entscheidungsbäumen und Checklisten gut umgesetzt werden.

Linda Freyberg

Linda arbeitet für das Projekt "Rechtliche Fragen in Citizen Science Projekten" am Museum für Naturkunde Berlin. Sie ist Doktorandin am Promotionskolleg Wissenskulturen/Digitale Medien der Leuphana Universität Lüneburg sowie assoziiert am Urban Complexity Lab der Fachhochschule Potsdam. Foto: © Stephanie Neumann