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„Der Wille zu kooperieren und ihre Fähigkeiten, machen Hunde einzigartig” - Nachgeforscht bei Nora Haack und Annegret Grimm-Seyfarth von IGAMon-Dog

07. März 2023 von Leon Altfeld
Foto: Anne Zylinski
Foto: Anne Zylinski

Im Projekt IGAMon-Dog machen sich Hundebesitzer*innen gemeinsam mit ihren Vierbeinern auf die Suche nach invasiven gebietsfremden Pflanzenarten. Wir haben uns mit Nora Haack vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. (UfU) und Dr. Annegret Grimm-Seyfarth vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) über die Forschungsarbeit mit Hunden, Herausforderungen des Projekts und besondere Erlebnisse unterhalten.  

Was ist die Idee des Projekts und wofür steht der Name IGAMon-Dog?

Grimm-Seyfarth: Die Grundidee ist es, sogenannte invasive gebietsfremde Arten, abgekürzt IGA, zu untersuchen. „Mon” steht für Monitoring und „Dog”, weil wir das Ganze mit Hunden machen. So setzt sich unser Projektname zusammen. Auf die Idee, Hunde einzusetzen, sind wir gekommen, weil frühe Stadien invasiver gebietsfremder Arten schwer zu finden sind. Wir sehen natürlich, wenn große Springkraut-Bestände wachsen, dafür brauchen wir keinen Hund. Aber an diesem Punkt können wir häufig kaum mehr gegen diese Arten vorgehen. Deswegen ist es wichtig, bereits junge Stadien ausfindig zu machen und das ist visuell häufig schwierig. In anderen Projekten hatten wir mit Artenspürhunden bereits gute Erfahrungen gemacht. Deshalb dachten wir: Warum nicht Bürger*innen mit ihren Hunden darauf trainieren, diese frühen Stadien zu finden und zu melden. 

Welche besonderen Fähigkeiten bringen Hunde für diese Aufgabe mit? 

Grimm-Seyfarth: Hunde haben eine extrem gute Nase. Sie sind viel sensibler, können viel mehr Gerüche wahrnehmen als der Mensch und werden deswegen seit Urzeiten als Spürhunde eingesetzt. Außerdem arbeiten Hunde gerne mit Menschen zusammen. Sie sind leicht trainierbar im Vergleich zu anderen Arten. Dieser Wille zu kooperieren und ihre Fähigkeiten, machen Hunde einzigartig. 

Haack: Da wir einen bürgerwissenschaftlichen Ansatz verfolgen, hat es einfach Sinn gemacht, uns auf Hunde zu fokussieren, da viele Menschen einen Hund haben und wir diese ansprechen können. 

Grimm-Seyfarth: Neben der eingespielten Arbeit mit Hunden, haben wir aber auch eine Pilotstudie mit einem Schwein und einer Katze laufen.

Foto: Anne Zylinski
Foto: Anne Zylinski

Was wollt ihr mit dem Projekt erreichen? Warum ist es wichtig, invasive gebietsfremde Arten zu beobachten und wozu kann eure Forschung beitragen?

Haack: Das Monitoring invasiver gebietsfremder Arten ist wichtig, um Ausbreitungsbewegungen nachvollziehen zu können. Wo waren die Pflanzen letztes Jahr? Wo sind sie dieses Jahr? Das gibt uns Aufschluss darüber, wie und wie schnell sie sich verbreiten oder ob sie vielleicht auch wieder verschwinden. Das sind alles Informationen, die relevant werden, wenn es um das Management von invasiven Arten geht. Je schneller eine Art entdeckt wird, desto größer sind die Chancen, sie kostengünstig zu entfernen. Es lohnt sich also auch wirtschaftlich, diese Arten möglichst früh zu entdecken.

Aktuell ist das Projekt auf das Monitoring von drei invasiven Arten beschränkt. Soll das noch erweitert werden?

Haack: Im Rahmen der aktuellen Projektlaufzeit bleibt es erstmal dabei. Wenn die Leute mit ihren Hunden bereits sehr routiniert sind und sagen, sie würden gerne noch eine Art dazunehmen, dann stehen wir dem natürlich nicht im Weg. Aber erstmal ist es für uns praktisch, weil wir die Proben beschaffen müssen, um die Hunde zu trainieren. Teilweise unterliegt das auch gewissen Auflagen und Beschränkungen.

Grimm-Seyfarth: Ursprünglich war angedacht, mit den Hunden sowohl nach invasiven Pflanzen als auch nach invasiven Tieren zu suchen. Da es einfacher ist, die Suche nach invasiven Pflanzen mit den Hunden zu trainieren, ist das erstmal ein guter Startpunkt, um diese Citizen-Science-Idee auszuprobieren.

Wer kann teilnehmen und welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?

Grimm-Seyfarth: Wir haben in zwei Kohorten mit jeweils 15 Teilnehmenden pro Jahr angefangen. Die Hunde sollten ein bestimmtes Alter haben und gesundheitlich fit sein. Außerdem ist eine gewisse Vorerfahrung im Training bei den Hundeführer*innen und den Hunden wichtig. Deshalb können nicht alle zu jeder Zeit anfangen. Solange wir noch nicht wissen, ob und wie das Projekt weitergeführt wird, wird es erst mal keine neuen Kohorten geben.

Haack: Auch als teilnehmende*r Hundebesitzer*in muss man sich natürlich Wissen aneignen. Der beste Hund bringt nichts, wenn der Hundeführer oder die Hundeführerin die Pflanzenarten nicht erkennt. Man muss wissen, wo die Arten vorkommen und wann die Pflanzen wachsen. Im Idealfall hat man Kontakte zu den zuständigen Behörden, die für Entfernungen solcher Arten zuständig sind. In manchen Fällen braucht man sogar Genehmigungen, denn nicht überall kann man mit seinem Hund hingehen. Übrigens kann man auch ohne Hund mitforschen: In der Korina-App, die wir für die Kartierung verwenden, kann man melden, wo man invasive Pflanzenarten entdeckt hat. Darüber freuen wir uns immer sehr. 

Foto: Anne Zylinski
Foto: Anne Zylinski

Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen UfU und UFZ ab und welchen Mehrwert hat diese Kooperation für euch?

Haack: Das UfU hat viel Erfahrung in der Arbeit mit Bürgerwissenschaftler*innen und mit invasiven Neophyten, also invasiven Pflanzenarten. Am UFZ liegt hingegen die Expertise in der Arbeit mit Artenspürhunden. In der Praxis vermengen sich unsere Zuständigkeiten aber natürlich auch.  

Grimm-Seyfarth: Das UFZ ist als wissenschaftlicher Partner zuständig für die Auswertung der Daten. Ich glaube, der Mehrwert unserer Zusammenarbeit liegt vor allem darin, dass wir uns prima ergänzen. 

Welche Herausforderungen gibt es im Projekt?

Haack: Eine der größten Herausforderungen ist es, den Übergang von der Ausbildung des Hundes zum wirklichen Einsatz zu schaffen. Das ist schwieriger als gedacht. Ich meine damit nicht, dass sich die Bürger*innen überschätzen. Im Gegenteil: Viele haben das Gefühl, noch mehr trainieren zu müssen, obwohl ich eigentlich schon sagen würde, sie können rausgehen und Daten erheben. Da müssen wir noch mehr unterstützen. Im nächsten Jahr wollen wir unsere Teilnehmenden dann auch in die Datenauswertung mit einbeziehen. Das ist ein wichtiges Ziel für uns, kann aber auch herausfordernd werden. 

Grimm-Seyfarth: Eine weitere Herausforderung ist, dass die Teilnehmenden am Ball bleiben. Wenn man nicht rausgeht, hat man keine Erfolge und ohne Erfolge fehlt die Motivation, weiterzumachen. Wir können nicht alle wöchentlich im Training begleiten. Aber ein Abspringen kann natürlich auch ganz praktische Ursachen haben: Familiäre und private Situationen können sich ändern, und Hunde können krank werden. Es ist uns wichtig zu betonen, dass man die Teilnahme am Projekt nicht aus Spaß nebenbei machen kann, sondern dass es mit viel Training und Zeitaufwand verbunden ist. Ich bin sehr gespannt darauf, ob und wie wir die Teilnehmenden nächstes Jahr zum Kartieren motivieren können und was wir dadurch noch herausfinden werden. Bisher haben wir schon tolle Ergebnisse erzielt.

Welche Erkenntnisse konntet ihr im Rahmen von IGAMon-Dog bereits gewinnen?

Haack: Im Rahmen einer Masterarbeit wird aktuell untersucht, wie viele invasive Pflanzen ein trainierter Hund im Vergleich zu einer erfahrenen Kartiererin entdeckt. Der Hund hat in der Untersuchung deutlich mehr Pflanzen gefunden als die Kartiererin. Das war schon beeindruckend.

Grimm-Seyfarth: Durch die Arbeit haben wir sogar noch eine weitere neue Erkenntnis gewonnen. Bislang ist man davon ausgegangen, dass Springkraut immer im Pulk wächst. Der Hund hat tatsächlich einzelne Springkraut-Individuen in Wiesen zwischen Gräsern gefunden. Diese wären einfach nicht auffindbar gewesen für einen Menschen. 

Foto: Anne Zylinski
Foto: Anne Zylinski

Was waren eure schönsten Erlebnisse im Projekt?

Haack: Auf persönlicher Erlebnisebene gab es einen großen Aha-Effekt für mich, als die erste Person gesagt hat: „Mein Hund hat eine Pflanze gefunden, die ich vorher nicht gesehen habe.” Man denkt oft, dass der Hund vielleicht nur besonders gut zu deuten lernt, wo man selbst hinguckt. Da habe ich gemerkt: Es funktioniert wirklich!

Grimm-Seyfarth: Was ich persönlich auch sehr schön fand, waren die Treffen vor Ort im Praxisseminar. Wir machen viel Online-Training. Sich dann wirklich mal kennenzulernen und zu sehen, wie motiviert die Leute dabei sind, wie toll die Hunde arbeiten, das fand ich sehr eindrucksvoll.

 

IGAMon-Dog ist ein Verbundprojekt zwischen dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. (UfU), dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Wildlife Detection Dogs e.V.. Das Projekt wird im Rahmen der zweiten Förderrichtlinie Citizen Science vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

 

Leon Altfeld

Leon unterstützte Bürger schaffen Wissen im Frühjahr 2023 als Praktikant.