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Herzlich Willkommen? Was Citizen-Science-Projekte an Hochschulen benötigen

16. März 2023 von Gastautor*in(nen)
Foto: Pixabay / Pexels
Foto: Pixabay / Pexels

von Kristin Oswald

Hochschulen verschreiben sich zunehmend der third mission, also dem Austausch und der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Citizen Science ist deshalb eine gern gesehene Form der Zusammenarbeit mit externen Partner*innen, die zudem die Sichtbarkeit der Hochschule erhöhen kann. Daneben kann Citizen Science dazu beitragen, das Verständnis für und die Wertschätzung von Wissenschaft zu fördern sowie (potenzielle) Studierende anzusprechen und auszubilden.

Citizen-Science-Projekte zu etablieren, liegt also im eigenen Interesse der Hochschulen. Entsprechend haben die League of European Research Universities und das Projekt INOS (Integrating Open and Citizen Science into Active Learning Approaches in Higher Education) jeweils Empfehlungen zur Anerkennung und strukturellen Einbindung von Citizen Science in Forschung und Lehre entwickelt. Ähnliche Hinweise sind auch Teil der Citizen Science Strategie 2030 für Deutschland. In der Praxis der zahlreichen deutschen Citizen-Science-Projekte an Hochschulen zeigt sich jedoch, dass solche allgemeinen Empfehlungen nicht ausreichen. Der hohe Management- und Kommunikationsaufwand von gemeinsam mit Bürger*innen umgesetzten Projekten wird von den komplexen Verwaltungsstrukturen an Hochschulen häufig erschwert anstatt unterstützt.

Doch was konkret ließe sich verbessern? Vor allem ist eine ausreichend ausgestatte und dauerhafte Citizen-Science-Beratungs- und -Koordinierungsstelle von herausragender Bedeutung, um Forschung gemeinsam mit Bürger*innen an einer Hochschule zu etablieren. Citizen-Science-Projekte benötigen in allen Prozessschritten spezielles Wissen und Ressourcen, die eine solche Stelle bündeln und zur Unterstützung und Begleitung von Initiativen einsetzen könnte. Hier das notwendige Wissen aufzubauen und gezielt abzurufen, würde den individuellen Aufwand für die hauptamtlichen Forschenden in den Projekten reduzieren und zugleich die Projekte auf eine Weise professionalisieren, die kaum möglich ist, wenn sich neue Projektbeteiligte stets erst in das Thema einarbeiten müssen. Eine solche Stelle könnte beispielsweise als ein Inkubator an bestehenden Transferagenturen verortet werden und mit diesen Synergien aufbauen.

Basierend auf einer informellen, stichprobenhaften Befragung deutscher Hochschulmitarbeiter*innen in Citizen-Science-Projekten* werden im Folgenden einige konkrete Hürden für entsprechende Projekte an Hochschulen sowie Beispiele für die Aufgaben einer solchen Servicestelle formuliert.

Beratung

Da sich das Forschungsdesign von Citizen-Science-Projekten von jenem klassischer Forschungsprojekte unterscheidet, ist eine Beratung schon bei der Ideenentwicklung und Beantragung entsprechender Fördermittel eine wichtige Hilfestellung. Eine solche Unterstützung von qualifiziertem Fachpersonal kann dazu beitragen, zur Fragestellung passende Ansätze zu finden, die zugleich für potenzielle Teilnehmende attraktiv und motivierend sind.

Evaluation

Ähnliches gilt für die Projektevaluation. Diese ist wichtig und von den meisten Fördergebern vorgesehen. Dabei sollte ein Citizen-Science-Projekt nicht nur auf seinen wissenschaftlichen Output hin evaluiert werden, sondern auch in Hinblick auf das Forschungsdesign und die Lerneffekte für die Teilnehmenden. Verfügt ein Projekt jedoch nicht über Mitarbeiter*innen mit einem sozialwissenschaftlichen Hintergrund, können Evaluationen evtl. zu keinen aussagekräftigen Ergebnissen führen. Auch hier ist die Unterstützung durch Fachpersonal also hilfreich und sinnvoll, scheitert aber bisher mitunter daran, dass Evaluationsinfrastrukturen an Hochschulen auf die Lehre beschränkt sind.

Kompetenzentwicklung

Weitere wichtige Aspekte nannten Daniel Wyler and Muki Haklay 2018 in einem der wenigen Forschungspaper zu diesem Thema: Zentrale Citizen-Science-Anlaufstellen können die ehrenamtlichen Teilnehmenden an einer Hochschule vernetzen und sie in grundlegenden wissenschaftlichen Themen weiterbilden. Zudem können sie aufgrund ihrer projektübergreifenden Unabhängigkeit als Anlaufstelle für Bedenken und Beschwerden in Bezug auf die Projekte dienen und Schulungen für die Forschenden anbieten, etwa zu Diversitäts- und Moderationskompetenz. Und schließlich könnte eine Koordinierungsstelle die häufig fehlenden Räumlichkeiten für Treffen und gemeinsame Forschungsarbeit zur Verfügung stellen.

Teilnehmendenmanagement

Die größte Herausforderung von Citizen-Science-Projekten liegt in der Organisation und Kommunikation mit (potenziellen) Teilnehmer*innen. Grundsätzlich muss diese zwar im Rahmen des jeweiligen Projektes umgesetzt werden, dennoch können die Hochschulen hier unterstützende Infrastrukturen zur Verfügung stellen. Beispielsweise wäre für die Ansprache interessierter Bürger*innen etwa ein zentralisierter, langfristiger Beziehungsaufbau zu Multiplikator*innen, Vereinen, Wissenschaftsläden, Volkshochschulen, Schulen usw. hilfreich. So muss nicht jedes Projekt entsprechende Kontakte neu knüpfen, was im Rahmen begrenzter Projektlaufzeiten oft nicht möglich ist. Zudem könnten Verbindungen zu Gruppen, die nicht zum üblichen Hochschulumfeld gehören, dabei helfen, die Projekte diverser zu gestalten und der Hochschule selbst ein zugänglicheres Image zu geben, bspw. für potenzielle Studierende.

Sind die Teilnehmenden gefunden, ist ihre Einbindung in die Strukturen der Hochschule regelmäßig ein Problem. Die Ermöglichung der Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen, die Ausstellung von Ehrenamtszertifikaten oder der Zugang zu Bibliothek oder Software sind mitunter schwierig und langwierig. Die Nutzung von Projektmanagement-Tools kann sogar gänzlich untersagt sein. Das ist nicht nur für den Projektverlauf ein Problem, sondern auch, weil solche Faktoren die Hauptmotivation für die Teilnahme an einem Citizen-Science-Projekt sein können. Zudem gelten diese Schwierigkeiten häufig auch für externe Partner*innen des Projekts, etwa Initiativen der Zivilgesellschaft oder andere Hochschulen. Solche Hürden können ein Citizen-Science-Projekt demnach sogar gänzlich gefährden.

Finanzierung

Trotz der dominierenden Finanzierung über Drittmittel gehen mit Citizen-Science-Projekten häufig finanzielle bzw. Verwaltungsbedarfe an die Hochschulen einher, beispielsweise in Form von Anschubfinanzierungen für die Antragstellung, die auch von den externen Projektpartner*innen in Anspruch genommen werden können. Während der Projektlaufzeiten ist zudem mehr Flexibilität der hochschulischen Mittelverwaltung gefragt, die dem dynamischen Charakter partizipativen Forschens entspricht.

Datenmanagement

Das Datenmanagement ist ein wichtiger Punkt insbesondere für die nachhaltige Nutzbarmachung der generierten Forschungsdaten über das Projektende hinaus. So fehlt es an Hochschulen häufig an erfahrenen Ansprechpartner*innen, die die Daten katalogisieren und für mögliche Folgeprojekte aufbewahren. Vielmehr muss hier jedes Projekt von vorn beginnen. Eine Anlaufstelle für Citizen Science könnte entsprechendes Fachwissen und Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Externe Projektkommunikation

Sichtbarkeit hat in Citizen-Science-Projekten meist eine große Bedeutung. Teilnehmende müssen gefunden und die Öffentlichkeit regelmäßig informiert werden. Dabei benötigen die Projekte kommunikative Unterstützung von Seiten der Hochschulen, die über den klassischen Versand von Pressemitteilungen zur Ergebniskommunikation hinausgeht. Dies können Weiterbildungen sein, aber auch der Zugang zu den Kommunikationstools, -kanälen und -verteilern der Hochschule. Gerade in Bezug auf die sozialen Medien – aber bspw. auch auf die Lizenzen für Projektmanagementtools – sind fehlende institutionelle Bezahlmöglichkeiten und Accounts für Werbeschaltungen zudem eine häufige Hürde. So kann es zu Problemen führen, wenn die Forschenden Social-Media-Werbung privat bezahlen müssen, obwohl Projektgelder hierfür vorhanden sind.

Rechtliche und ethische Fragen

Die Zusammenarbeit mit Bürger*innen und externen Partner*innen ist mit speziellen rechtlichen Aspekten verknüpft. Diese umfassen etwa Verschwiegenheit, Urheberrecht und Datenschutz, aber auch Kooperationsverträge. Hier für jedes Projekt Verträge oder Codes of Conduct neu zu entwickeln, dauert oft sehr lang. Spezifisch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Bürger*innen stellen sich zudem steuer- und vereinsrechtliche Fragen, etwa hinsichtlich Aufwandsentschädigungen oder Beschäftigung durch Minijob-Verträge. Wenn Hochschulen hier adaptierbare Lösungen und Vorlagen entwickeln, kann vermieden werden, dass die Projekte in den ersten Monaten auf einer unklaren rechtlichen Basis arbeiten.

Gerade, aber nicht nur im Kontext von medizinischen Forschungsprojekten sind zudem Ethikverfahren ein wichtiges Thema. Anstatt der vorgegebenen Muster zur Erstellung eines Ethikbescheides braucht es hier dynamischere Prozesse, die zu sich mitunter unvorhersehbar verändernden Projekten passen.

Ausblick

Citizen-Science-Projekte sind an Hochschulen zwar gern gesehen, bringen aber Dynamiken mit sich, die den klassischen Logiken und Arbeitsweisen der Hochschulverwaltung widersprechen. Flexibilität, Verständnis und zentralisiertes Fachwissen kann viele der daraus resultierenden Probleme lösen. Zwei grundlegende Hürden für Citizen-Science-Projekte bleiben aber dennoch bestehen: Zum einen wird die Erfahrung aus Citizen-Science-Projekten auf akademischer Ebene kaum wertgeschätzt. Hochschulgremien motivieren hauptamtlich Forschende entsprechend nur bedingt dazu, sich hier zu engagieren. Dies zu ändern, ist eine zentrale Aufgabe der Hochschulführung. Zum zweiten entstehen wichtige und vielversprechende Citizen-Science-Projekte nicht nur aus Hochschulen heraus, sondern auch aus der Zivilgesellschaft. Citizen-Science-geeignete Infrastrukturen der Hochschulen für diese zugänglich zu machen, kann nicht nur mehr und innovativere Projekte hervorbringen, sondern die Verbindung zwischen Hochschulen und Gesellschaft stärken.

* Nicht alle Befragten, die mir geantwortet haben, möchten namentlich genannt werden. Für ihre hilfreichen Rückmeldungen danken möchte ich: Yvonne Adam und Birgit Behrisch vom Projekt FamGesund, Julia Gantenberg vom Projekt GINGER sowie Claudia Göbel vom SoCiS-Projekt.

 

Über die Gastautorin

Kristin Oswald ist seit ihrem Studium der Archäologie und Geschichte in den Bereichen Citizen Science und Wissenschaftskommunikation tätig. Sie ist aktuell Koordinatorin des BMBF-geförderten Citizen-Science-Projekts „SocialMediaHistory – Geschichte auf Instagram und TikTok“ des Arbeitsbereiches Public History der Universität Hamburg, der Professur für Geschichtsdidaktik und Public History der Ruhr-Universität Bochum und Kulturpixel e.V.

Gastautor*in(nen)

Auf dem Blog von Bürger schaffen Wissen laden wir Gastautor*innen ein über ihre Perspektive auf Citizen Science und jeweilige Themenschwerpunkte zu berichten. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.