Ostdeutsche Migrationsgesellschaft selbst erzählen (MigOst)
Sie haben eine Migrationsgeschichte oder sind eine Person of Color und Sie leben oder lebten in einem ostdeutschen Bundesland?
Dann machen Sie mit! Sie selbst sind die Expert*innen ihrer eigenen Geschichte/n. Mit dem Projekt MigOst möchten wir Ihre Geschichte/n kennenlernen, Vernetzung und Erfahrungsaustausch fördern und lokale migrantische Strukturen in Cottbus, Dresden und Halle stärken. Lassen Sie uns gemeinsam neue Perspektiven auf Migration in Ostdeutschland werfen.
Sie sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen! Informationen, wie Sie mitmachen können, finden Sie in unserem Projektflyer oder in unserem Newsletter.
+++ Die nächsten Erzählcafés finden wieder in Präsenz statt, die Termine finden Sie hier +++

Karoline Oehme-Jüngling
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Technische Universität Dresden

Zentrum für Integrationsstudien, Technische Universität Dresden (ZfI)

Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst)

Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU)

Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde Dresden (ISGV)

Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)

Das Projekt wird im Rahmen des Förderbereichs Bürgerforschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Worum geht es in diesem Projekt?
Auch Ostdeutschland hat eine Migrationsgeschichte: DDR-Vertragsarbeiter*innen u.a. aus Vietnam, Mosambik und Polen beluden Schiffe in Rostock, förderten Kohle in der Lausitz, bauten Waggons in Halle. Menschen kamen für eine Ausbildung oder einen der raren Studienplätze; andere als politische Emigrant*innen. Ab den 1990er Jahren folgten Spätaussiedler*innen, Kontingentflüchtlinge und Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien, später aus Syrien und Afghanistan. Andere, als Kinder binationaler Paare in Ostdeutschland geboren, machten Erfahrungen des Andersseins, obwohl sie selbst keine Migration erlebten. MigOst macht vielfältige Lebensgeschichten sichtbar. Aus einer Alltagsperspektive sollen Erfahrungen von Menschen mit Migrationsgeschichte zu Zeiten der DDR, der Wiedervereinigung bis in die Gegenwart thematisiert werden. Fragen nach Identität und Zugehörigkeit, nach Praxis und Erfahrung des Ankommens, Bleibens und Gehens sowie nach Diskriminierung und Rassismus können eine Rolle spielen.
Wie können Bürger*innen mitforschen?
Im Projekt sind drei regelmäßig stattfindende Erzählcafés in Cottbus, Dresden und Halle geplant, in denen mit verschiedenen Methoden der Gruppendiskussion gearbeitet wird. Dazu eingeladen sind Menschen mit Migrationsgeschichte in Ostdeutschland (Phase 1) und Menschen, die als Arbeitskolleg*innen, Nachbar*innen oder Freund*innen in Ostdeutschland migrationsbezogene Erfahrungen gemacht haben (Phase 2). Die Erzählcafés werden gemeinsam von migrantischen Organisationen und dem Projektteam entwickelt und durchgeführt. Teilnehmer*innen benötigen außer Interesse am Thema keine weiteren Voraussetzungen. Die Teilnehmer*innen entscheiden als Expert*innen ihrer eigenen Geschichte selbst über die Themensetzung; das Projektteam unterstützt mit methodischer wie theoretischer Expertise. Möchten Sie mitmachen? Dann schreiben Sie uns gern: migost@damost.de Weitere Infos zu Terminen, Orten und Teilnahmemöglichkeiten finden Sie unter „weitere Informationen“ (↑).
Was passiert mit den Ergebnissen?
Die Auswertung des in den Erzählcafés (Phase 1 + 2) erhobenen Materials erfolgt gemeinsam und gleichberechtigt durch alle beteiligten Forschungspartner*innen (d.h. die Teilnehmer*innen einschließend). In einer dritten Phase des Projekts finden Stadtlabore statt, in denen auf Basis der gesammelten Ergebnisse und in Zusammenarbeit mit lokalen Kulturinstitutionen in Cottbus, Halle und Dresden Repräsentationsformate erarbeitet werden. Daraus können beispielsweise Theaterstücke, Ausstellungen oder Stadtführungen entstehen, die von Erinnerungen und Erfahrungen der Teilnehmer*innen erzählen und sie für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen. Ziel ist es, die Erzählungen lokaler Stadtgeschichten zu pluralisieren und den Blick für gemeinsame Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart zu öffnen. Des Weiteren wird das erhobene Material im Lebensgeschichtlichen Archiv des ISGV Dresden auch künftigen Forschungsprojekten zur Verfügung stehen.
Wozu trägt die Forschung bei?
Hegemoniale Erinnerungsdiskurse zur ostdeutschen Geschichte weisen in Blickrichtung und gesellschaftlicher Positionierung große Lücken auf: So wird die DDR-Gesellschaft vielfach homogen und weiß imaginiert. Die Biografien etwa von Vertragsarbeiter*innen oder Teilnehmer*innen internationaler Bildungsprogramme, individuelle Migrationserfahrungen in der DDR wie auch migrantisches Wissen der Wende- und Nachwendezeit erfahren wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Hinzu kommt, dass die deutsche Migrationsgeschichte in der Forschung meist anhand der westdeutschen Einwanderungsgesellschaft erzählt wird. In der Sozialwissenschaft ist somit eine doppelte Differenzierung und Marginalisierung zu beobachten. In Realität hat die ostdeutsche Gesellschaft selbstverständlich eine fortwährende Historie der Einwanderung. Durch den Blick zurück und das Teilen migrationsbezogener Erfahrungen werden bisherige Ausschlüsse in der Erinnerungskultur sowie dominante Narrative über Ostdeutschland in Frage gestellt.
Was sind die (Zwischen-)Ergebnisse des Projekts?
Neun Monate nach seinem Start ist das Projekt dem Großteil der regionalen politischen sowie wissenschaftlichen Akteure im Bereich Migration und Integration bekannt. Bis zum Ende des Jahres 2021 fanden sechs Erzählcafés statt, davon zwei in Dresden, drei in Cottbus und eins in Halle. Zwei weitere, bereits geplante Erzählcafés mussten aufgrund der Pandemiesituation auf das Frühjahr 2022 verschoben werden. Darüber hinaus sind erste Absprachen mit Kulturinstitutionen wie dem Staatsschauspiel Dresden angelaufen. Die Kooperation zwischen Kulturinstitutionen und migrantischen Verbänden ist Kernbestandteil des Projekts und für die dritte Projektphase in 2023 geplant.