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mit:forschen!

Die Plattform für Citizen-Science-Projekte aus Deutschland: Mitforschen, präsentieren, informieren!

„Es ist nicht trivial, Leute zum Mitmachen zu begeistern” – Nachgeforscht bei Alexander Mädche von wir-forschen.digital

Foto: KIT

Im Projekt wir-forschen.digital erforschen und entwickeln Wissenschaftler*innen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) Methoden und Infrastrukturen für die Forschung unter Beteiligung von Bürger*innen. Wir haben mit Wirtschaftsinformatikprofessor Alexander Mädche über die Plattform und die dort angebotenen Citizen-Science-Aktionen gesprochen.

Die neue Online-Plattform wir-forschen.digital lädt Bürger*innen unter dem Stichwort „Digital Citizen Science” ein, sich an verschiedenen Forschungsprojekten des KIT zu beteiligen. Was verstehen Sie im Projekt unter „Digital Citizen Science”?

Mädche: Unsere Idee ist, die Leute da abzuholen, wo sie sind. Das geht mit digitalen Tools leichter, weil fast jede*r ein Smartphone hat und vom Sofa oder wo immer man gerade ist, mitmachen kann. Das Besondere an der Plattform ist, dass sie nicht für ein spezifisches Projekt bzw. Thema entwickelt wurde, sondern generisch ist, also eine offene Plattform, auf der verschiedenste Forscher*innen ihre partizipativen Projekte anbieten können. Die Personen, die auf der Plattform registriert sind, können dann an Projekten teilnehmen, die sie spannend finden. Wir verfolgen den Ansatz, eine digitale Community aufzubauen und haben uns daher für den Begriff „Digital Citizen Science” entschieden.

Wie unterstützen die Plattform und ihre Werkzeuge die Beteiligung von Bürger*innen an den Forschungsprojekten?

Mädche: Es gibt sowohl für Forscher*innen als auch für teilnehmende Bürger*innen Werkzeuge auf der Seite. Wir haben einen Konfigurator entwickelt, mit dem Projekte angelegt und verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Aktivitäten beschrieben werden können. Für die Partizipation in diesen Phasen gibt es dann konkrete Tools, zum Beispiel Foren oder die Möglichkeit, Dokumente zu teilen. Ganz wichtig ist auch, dass Drittanbieter-Anwendungen auf der Plattform integriert werden können, zum Beispiel existierende Fragebogentools, aber auch komplexere Anwendungen, wie beispielsweise web-basierte Experimentalprototypen oder statistische Auswertungswerkzeuge.

An welche Zielgruppen richtet sich die Plattform und wie werden diese angesprochen?

Mädche: Die Plattform an sich hat keine spezifische Zielgruppe, aber die verschiedenen Projekte adressieren je nach Thema – von Nachhaltigkeit zu Vorhersagemodellen zur Corona-Pandemie – auch unterschiedliche Zielgruppen. Um Bürger*innen auf wir-forschen.digital aufmerksam zu machen, gibt es zum Beispiel eine Verknüpfung mit der offiziellen Karlsruher Bürger*innen-App, über die Interessierte dann auf unsere Plattform gelangen. In den ersten sechs Wochen nach Launch der Plattform haben sich bereits 100 Leute registriert. Das ist schonmal nicht schlecht, aber natürlich wollen wir mehr Menschen erreichen. Letztes Jahr haben wir eine Studie zu Anreizsystemen durchgeführt und gefragt, unter welchen Bedingungen Leute bei partizipativen Forschungsprojekten mitmachen würden. Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass sie mitmachen würden, wenn sie Geld dafür erhalten würden. Wir prüfen jetzt von Projekt zu Projekt, ob wir die Teilnahme incentivieren, zum Beispiel durch Verlosungen, oder wirklich nur Personen ansprechen, die gerne intrinsisch mitmachen. Es ist nicht trivial, Leute zum Mitmachen zu begeistern und zu gewinnen.

Eine neue Mitmachaktion auf der Plattform heißt „Nachhaltig Leben und Arbeiten? Herausforderung angenommen!”. Worum geht es bei dieser Aktion?

Mädche: Es ist die Replikation einer Mitmachaktion, die wir letztes Jahr zu einem anderen Thema, nämlich Herausforderungen im Home Office, durchgeführt haben. Die Idee in diesem Jahr ist folgende: Zusammen mit Bürger*innen möchten wir entlang von vier Themenbereichen herausfinden, welche Herausforderungen es im alltäglichen Leben und bei der Arbeit gibt, wenn man nachhaltig handeln will. Die Themenbereiche werden jeweils von Expert*innen betreut, ich selbst biete den Themenbereich „energiefreundlicher Medienkonsum” an, ein anderer Bereich ist zum Beispiel „klimafreundliches Reisen”.

Wie sind Bürger*innen dabei in die Forschung eingebunden?

Mädche: Wir laden Bürger*innen ein, über die Plattform ihre konkreten Probleme zu artikulieren. Studierende eines begleitenden Seminars nehmen sich dann einem Problem je Themenbereich an und entwickeln Lösungen, die am Ende des Seminars vorgestellt werden, zum Beispiel Prototypen für Apps. Die Bürger*innen können zu bestimmten Zeitpunkten Feedback geben. Dazu bieten wir öffentliche Veranstaltungen im KIT Open Space Triangel direkt in der Karlsruher Innenstadt an.

Sie haben eben bereits angesprochen, dass es vergangenes Jahr eine ähnliche Citizen-Science-Aktion gab, bei der ko-kreativ Lösungen für Schwierigkeiten des Arbeitens im Home Office entwickelt werden sollten. Was waren die (Forschungs-) Ergebnisse dieser Aktion?

Mädche: Die Ergebnisse sind tatsächlich recht konkret und wir haben diese auch auf der Plattform dokumentiert. Die Studierende haben YouTube-Videos zu ihren Lösungen produziert, um diese mit der Gesellschaft zu teilen. Eine der artikulierten Herausforderungen war zum Beispiel, dass man sich im Home Office zu wenig bewegt. Im Projekt wurde daher eine App mit dem Namen „Aktivpause To Go” als Prototyp konzipiert. Die Anwendung soll Leute in der Pause motivieren, sich zu bewegen. Das Schöne ist: Unser Sportinstitut hat die Idee der Studierenden im Rahmen einer Abschlussarbeit aufgenommen und die App wird nun tatsächlich entwickelt. Unser Ansatz ist, dass jemand die Lösungsvorschläge aufnimmt und weiterentwickelt, ein Produkt daraus macht. Wir wollen einen Dialog anstoßen und zeigen, dass es manchmal gar nicht so schwer ist, Lösungen zu finden.

Welchen Herausforderungen sind Sie bei der Home-Office-Aktion begegnet und welche Lehren haben Sie für die Planung und Umsetzung der aktuellen Mitmach-Aktion mitgenommen?

Mädche: Die Herausforderung bleibt, die Menschen zu „aktivieren“. Letztes Jahr haben ungefähr 1000 Leute auf unsere Seite geklickt, aber es wurden nur 25 Challenges dokumentiert. Man muss dazu sagen, dass wir damals eine recht detaillierte Beschreibung abgefragt haben und die Rate von 1000 Besucher*innen zu 25 Challenges nicht so ungewöhnlich ist. Dieses Phänomen kennt man ja auch beispielsweise von Wikipedia. Aber natürlich haben wir uns überlegt, wie wir das verbessern können. Wir haben das Anlegen der Challenges daher in diesem Jahr erleichtert, aber sind wieder bei 25 gelandet. Bei der Abschlusspräsentation der Home-Office-Aktion waren fünf Bürger*innen da – das war ein Ungleichgewicht zu den 20 Studierenden plus Betreuer*innen und wir hätten uns natürlich gewünscht, dass mehr Leute kommen. Aber die, die da waren, hatten auch wirklich Interesse am Thema und haben viele Fragen gestellt. Es ist nicht so einfach, einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erreichen und sich eine Community aufzubauen.

Was sind die nächsten Schritte mit der Plattform wir-forschen.digital? Sind weitere Citizen-Science-Aktionen im Projekt geplant?

Mädche: Aktuell versuchen wir, die Plattform zu stabilisieren und mit weiteren Funktionalitäten auszustatten. Das Ziel ist mehr Projekte anzubieten und damit mehr Menschen zu gewinnen. Mit den Kolleg*innen aus dem KIT-Reallabor zu autonomem Fahren bieten wir aktuell ein weiteres Citizen-Science-Projekt auf der Plattform. Ein anderes Thema, das wir intensiv bearbeiten, ist IT-Sicherheit und Datenschutz, auch dazu werden weitere Aktivitäten folgen. Außerdem beschäftigen wir uns im Rahmen unseres DFG-Graduiertenkollegs KD2School mit adaptiven Systemen: Was machen soziale Medien mit uns? Wie intelligent sind Systeme und wie interagieren wir mit ihnen? Auf der strategischen Ebene setzen wir uns gerade besonders mit Open Science auseinander. Wir wollen Bürger*innen nicht nur an der Forschung teilnehmen lassen, sondern auch die Transparenz erhöhen und Zugriff auf die erhobenen Daten ermöglichen. Unser Ziel ist es, die Plattform nicht nur als Digital-Citizen-Science-Plattform, sondern auch als Open-Science-Plattform zu etablieren.

 

Fabienne Wehrle

Fabienne ist Projektmanagerin und Online-Redakteurin. Sie betreut die Plattform, kümmert sich um die Social-Media-Kanäle und ist für die Kommunikation rund um mit:forschen! Gemeinsam Wissen schaffen zuständig.