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Nachgeforscht bei Christoph Schröder vom Onlinelabor für Digitale Kulturelle Bildung

10. März 2020 von Sarah Schmidt
© Karena Hoffmann-Wülfing, Uni Kiel
© Karena Hoffmann-Wülfing, Uni Kiel

Ihr Projekt „Onlinelabor für Digitale Kulturelle Bildung” behandelt das viel diskutierte Thema Social Media. In Ihrem Projekt geht es darum, sich in explorativ-spielerischer wie auch kritischer Weise mit sozialen Medien auseinanderzusetzen. Welche Rückmeldungen haben Sie bis jetzt schon zu Ihrem Projekt erhalten und welche Forschungsimpulse werden besonders häufig von den Teilnehmer*innen genutzt?

Schon vor dem Start des Onlinelabors haben wir in regionalen Forschungswerkstätten die unterschiedlichen Nutzungsweisen von Social Media untersucht und erste interessante Rückmeldungen und Erfahrungen gesammelt. Dort haben wir unter anderem erforscht, wie unterschiedlich Nutzer*innen Beiträge in sozialen Medien betrachten: So macht eine Person beispielsweise ein Bild von ihrem Essen und die nächste sitzt daneben und fragt sich „Warum macht man eigentlich Bilder von seinem Essen?“. Bei uns können die Teilnehmer*innen dann darüber ins Gespräch kommen, welche Beweggründe hinter der Nutzung von sozialen Medien stecken und eine andere Perspektive auf das Thema bekommen. 

Als Einstiegspunkt für unsere Teilnehmer stellen wir kleine Aufgaben, die die Onlinelaborant*innen dazu einladen, die eigene Nutzung von sozialen Medien in den Blick zu nehmen oder sich an einer kreativen Challenge zu beteiligen. Diese sogenannten „Forschungsimpulse“ des Onlinelabors dienen der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen rund um soziale Medien. In einem Forschungsimpuls ging es zum Beispiel um die Zeichenbeschränkung bei Tweets auf Twitter, die damals bei 140 Zeichen lag. Onlinelaborant*innen sollten dann im Forschungsimpuls versuchen, ihre Biografie in 160 Zeichen (damit noch etwas mehr Spielraum besteht) abzubilden. Dazu gab es viele Rückmeldungen über die Problematik, dass man relativ schnell 160 Zeichen ausfüllt. Welche Strategien die Teilnehmer*innen dabei gefunden haben, lässt sich in ihren Beiträgen zu diesem Impuls sehen.

Ein zweiter sehr gefragter Forschungsimpuls beschäftigt sich mit Bildalgorithmen, die in sozialen Medien genutzt werden. Bei diesem Forschungsimpuls konnten die Teilnehmer*innen selbst aufgenommene Bilder von einem Algorithmus hinsichtlich ihrer ästhetischen Qualität beurteilen lassen. Der Algorithmus basierte auf Verfahren des maschinellen Lernens und bewertete die einzelnen Bilder jeweils auf einer Skala von 1-100. Hier konnten die Teilnehmer*innen gemeinsam mit uns untersuchen, wie dieser Algorithmus arbeitet und diskutieren, inwiefern die Einschätzung des Algorithmus von ihrer eigenen Beurteilung abweicht.

Wo sind Sie zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen und warum ist die Einbeziehung der Bürger*innen in Ihrem Projekt so wichtig?

Schon direkt bei der Antragsstellung des Projekts haben wir uns mit Citizen Science befasst! Denn wir haben unser Projekt von Anfang an so angelegt, dass wir direkt mit den Teilnehmer*innen in Kontakt stehen und diese einbeziehen können. Es war schon von Anfang an geplant, dass wir keine Befragung, sondern ein partizipatives Forschungsprojekt durchführen möchten. Zu dem Thema soziale Medien ist das sehr umfassend und betrifft viele verschiedene Altersgruppen. Deswegen haben wir uns schon eingangs informiert, welche Formen der Beteiligung es gibt. Zu Projekten mit Bürgerbeteiligung findet man viele im naturwissenschaftlichen Bereich, zum Beispiel im Bereich der Vogelbeobachtung oder zum Thema Stadtgestaltung und -erkundung. Nicht allzu viele findet man hingegen bei sozialwissenschaftlichen Projekten, aber vielleicht ist es gerade deswegen so interessant bei uns mitzumachen! 

Gummistiefel und Fernglas, Toolkit oder App – wie technisch versiert sollten Ihre Mitforschenden sein?

Zum Mitmachen muss man tatsächlich erst einmal nur ein Smartphone oder einen Computer bedienen können. Ansonsten gibt es keine weiteren Voraussetzungen. Wir geben unseren Teilnehmenden dann immer wieder Forschungsimpulse, Tipps und Hilfen zur Bearbeitung an die Hand, mit denen sie selber forschen können. Dazu veröffentlichen wir in regelmäßigen Abständen Videos, in denen erklärt wird, wie man sich an einer bestimmten Forschungsfrage beteiligen kann. Gleichzeitig ist es uns daran gelegen, dass wir auch selbst Themen von den Mitforschenden aufgreifen. Dazu können sich Forschende an einem Forum beteiligen und selber ein Thema aus einer beispielhaften Alltagserfahrung vorschlagen. 

Gibt es schon erste Erkenntnisse darüber, wie sich unterschiedliche Altersgruppen mit sozialen Medien auseinandersetzen?

Wir haben bisher mit verschiedenen Gruppen zusammengearbeitet und konnten unter anderem beobachten, dass sich Seniorengruppen für andere Dinge als Studierende oder Schüler*innen interessieren. Mit einer Seniorengruppe — für die digitale Medien, Algorithmen und Online-Communitys noch relativ neu waren wurden deshalb viele Fragen zu technischen Aspekten diskutiert. Bei der Zusammenarbeit mit Studierenden kamen kritische Fragen und Themen auf die Agenda: „Wie sieht es mit der Abhängigkeit bei Social Media aus?" oder „Wie verändert sich die Sprache durch Zeichenbegrenzung oder digitales Schreiben?".

In einer Schüler*innengruppe wurden hingegen gesellschaftliche Vorurteile gegenüber sozialen Medien heiß diskutiert. Oft wird den Nutzer*innen verschiedener sozialer Medien unterstellt, dass sie dort nur Inhalte posten, um berühmt zu werden oder als Influencer zu arbeiten. Für uns ist es sehr interessant zu sehen, dass sich auch Schüler*innen sehr kritisch mit sozialen Medien beschäftigen und darüber diskutieren, wer sie eigentlich im digitalen Kontext sind, welche Vorurteile Ältere über Jüngere haben und wie man sich von möglichen Vorurteilen abgrenzen kann. Das sind alles erstmal nur erste Eindrücke und Tendenzen zu Erkenntnissen und Rückmeldungen über die Nutzung sozialer Medien. Die systematische Auswertung steht auch noch aus. 

Was fasziniert Sie so daran über soziale Medien zu forschen?

Für mich ist es die Relevanz der sozialen Medien und dass sie ein alltägliches Ausdrucksmittel geworden sind. Soziale Medien haben Einfluss auf die Art, wie wir uns verständigen, wie wir die Welt begreifen und wie wir uns ausdrücken. Es gibt in unserer Forschungsgruppe drei große Aspekte, die uns besonders an sozialen Medien faszinieren: Wie verändert sich die einzelne Person dadurch, dass sie jetzt in diesen digitalen Kontexten eingebunden ist und plötzlich ganz viele technische aber auch soziale Phänomene eine Rolle im Alltag spielen? Dann gibt es die Perspektive der Ästhetik: Wie verändern sich ästhetische Ausdruckspraktiken und Wahrnehmungsweisen? Was gibt es für Bildästhetiken, die sich durchsetzen und aus welchen Gründen? In einem weiteren Aspekt beschäftigen wir uns mit dem technischen Hintergrund von sozialen Medien: Wie prägen die Medien selbst die Ausdrucksform, die wir verwenden? Zum Beispiel kann man bei Twitter nur 280 Zeichen verwenden, um seine Inhalte zu transportieren, während Instagram einen Fokus auf Bildinhalte und eine Kommentarebene setzt. Je nachdem nutzt man also verschiedene Medien zum Ausdruck. Dazu stellen wir Fragen zu den technischen Hintergründen wie: Was ist mit dem jeweilig gewählten Medium technisch möglich? Oder in Bezug auf Instagram: Wie verändert die Handykamera unser Bildempfinden?

Ihr schönster Citizen-Scientist-Moment – wie war der? Was war der größte Erfolg der bisherigen gemeinsamen Forschung?

Wahnsinnig interessant ist immer die direkte Arbeit mit den Onlinelaborant*innen. Dort gab es oft diesen Aha-Effekt, wenn mehrere Personen die gleiche Erfahrung im Bereich der sozialen Medien gemacht haben. Aber es gibt oft auch kontroverse Diskussionen, wenn Teilnehmer*innen mit ganz unterschiedlicher persönlicher Haltung zu sozialen Medien aufeinandertreffen. Dann kann sich darüber ausgetauscht und gemeinsam ein besseres Verständnis geschaffen werden. 

Gleichzeitig war es für uns ganz wichtig, eine funktionierende Online-Plattform zu entwickeln und ein Archiv zu erstellen, in dem alle Ergebnisse sichtbar werden. Wir möchten die Ergebnisse nicht nur in wissenschaftliche Veröffentlichungen fließen lassen, sondern die Ergebnisse auch für andere Forscher*innen und interessierte Personen zur Verfügung stellen. Das können zum Beispiel auch Lehrkräfte oder Medienpädagog*innen sein, die unsere Forschungsimpulse mit in den Unterricht nehmen. Aber alles, was wir machen ist mit dem Ziel versehen, die Ergebnisse unter einer Common Licence zu veröffentlichen. Damit soll möglichst alles der Forschung, nicht nur von den Teilnehmer*innen mitgestaltet werden, sondern auch für diese wieder nutzbar gemacht werden. Daher ist es ein großer Erfolg für uns, dass die bisher gesammelten Ergebnisse auch schon ohne Anmeldung in unserem Onlinearchiv zu finden sind. So können wir die erhobenen Daten für jede*n zugänglich machen. 

Ihr möchtet mitforschen? Dann geht es hier zum Projekt

Erste Zwischenergebnisse vom Onlinelabor findet ihr schon im Projektarchiv!

Sarah Schmidt

Promovierende der Neurowissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Als Praktikantin bei Wissenschaft im Dialog arbeitet sie für Bürger schaffen Wissen.