Direkt zum Inhalt
mit:forschen!

Die Plattform für Citizen-Science-Projekte aus Deutschland: Mitforschen, präsentieren, informieren!

Citizen Science in den Geistes- und Kulturwissenschaften

Citizen Science in den Geistes- und Kulturwissenschaften

Viele erfolgreiche Citizen-Science-Aktivitäten in Deutschland werden in Bereichen der Geistes- und Kulturwissenschaften durchgeführt. Ehrenamtliches Engagement wird oft von wissenschaftlichen Vereinen geleitet, wie z. B. dem Verein für Computergenealogie e. V. Wesentliche Schwerpunkte sind die landes- und regionalgeschichtliche Forschung sowie die Familienforschung. Der Dachverband Deutsche Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände e. V. (DAGV) verbindet über 60 genealogische und heraldische Vereinigungen in Deutschland; im Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine haben sich über 200 Geschichtsvereine, Historische Kommissionen, landesgeschichtliche Institute und Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen. Einige Bundesländer haben zentrale Anlaufstellen in der Denkmalpflege (z. B. das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege) für die Kooperation mit Heimatforschern; die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. bezieht dezidiert an Archäologie interessierte Bürger in ihre Arbeit ein. Zudem ist mit Public History ein wichtiger Ansatz entstanden, der in gesellschaftlichen Engagement wurzelt und seinen Weg in die akademische Forschung sowie in die Wissenschaftskommunikation gefunden hat.

Das methodische Vorgehen variiert dabei stark, von reinem Crowd-sourcing (siehe Artigo) über kommunikative Ansätze, die die beteiligten Bürgerinnen und Bürger in Methoden und Fragestellung einbinden, bis hin zu weitgehend unabhängig agierenden Forschungsvereinen. Der Verein für Computergenealogie e. V. stellt ein Daten-Eingabe-System (DES) zur Verfügung, mit dem historisch wertvolle Quellen – wie beispielsweise Adressbücher, Personenstandsregister oder Verlustlisten – durch Transkription referenzierbar und über Datenbanken der Öffentlichkeit online zugänglich gemacht werden können. Dabei kooperiert er mit öffentlichen Archiven und regional ausgerichteten genealogischen Vereinen. Landesämter für Denkmalpfleger stellen für ehrenamtliche Denkmalpfleger zumeist ausführliche Workshops bereit, ehe diese in ihrer Region dann oft sehr selbstständig tätig werden und regelmäßig Rückmeldung geben. Der Niedersächsische Heimatbund vereint auf diese Weise viele Privatpersonen, vor allem Lokalforschende, unter seinem Dach, die über sehr spezifisches Fachwissen verfügen und dieses auch durch entsprechende Publikationen an die Öffentlichkeit bringen. Außerdem werden hier forschende Bürgerinnen und Bürger mit Vertretern der akademischen Wissenschaft zusammengebracht.

Gerade in diesem Punkt stoßen Citizen-Science-Ansätze in den Geisteswissenschaften jedoch häufig noch an ihre Grenzen: Es fehlt an Kommunikation (auf Augenhöhe) – zum einen zwischen den Citizen Scientists und den Forschungsinstitutionen, zum anderen auch zwischen den einzelnen Disziplinen. Für ein nachhaltig erfolgreiches Projekt spielt hier deswegen nicht nur die Weitergabe der Ergebnisse und Methoden an die Öffentlichkeit eine große Rolle, sondern auch der Erfahrungsaustausch mit Vereinen und Dachverbänden sowie mit anderen Projekten und Ansätzen. Schließlich sei noch auf den Bereich Reenactment verwiesen, dessen Vertreter sich intensiv mit Details zu beispielsweise den von ihnen rekonstruierten historischen Bekleidungen und deren authentischer Herstellung beschäftigen.

STORY: Verlustlisten des Ersten Weltkrieges

In öffentlichen Archiven (wie Stadt- oder Landesarchiven, Universitäts- oder Kirchenarchiven) und in wissenschaftlichen Bibliotheken befinden sich hunderte von Kilometern historisch wertvolle Quellen aus den vergangenen tausend Jahren in handschriftlicher, maschinenschriftlicher oder gedruckter Form. Archivgut aus dem 19. Jahrhundert und früher ist in Kurrentschrift verfasst. Die Digitalisierung von Quellen wie Kirchenbüchern, Personenstandsregistern, Kriegsgräberlisten oder historischen Adressbüchern erleichtert die Übertragung (Transkription) der Inhalte dieser Quellen in Datenbanken. Der Verein für Computergenealogie e. V. (CompGen) stellt hierzu ein Daten-Eingabe- System (DES) zur Verfügung.
In einem Crowdsourcing-Projekt von CompGen wurden die Verlustlisten des Ersten Weltkrieges von mehreren Hunderten ehrenamtlichen Datenerfassern vollständig indiziert. Über 8,5 Millionen Datensätze wurden auf diese Weise unter Nutzung des DES erschlossen und für die wissenschaftliche und private Forschung online zugänglich gemacht.

Postkarte vom 27. Januar 1917, Scan: Jesper Zedlitz, GenWiki